Scotch will in der EU bleiben

EU FlaggeDer Striding Man als Symbol für den Johnnie Walker ist seit seiner Geburt im Jahre 1908 schon weit herumgekommen. Von Schottland aus ging seine Reise quer durch das britische Empire in alle Erdteile. Bei einer solch globalen Verbreitung der Marke und vieler weiterer schottischer Brennereierzeugnisse sollte man doch meinen, dass man bei Diageo und den andern weltweit tätigen Großkonzernen wie Pernod Ricard oder LVMH den Euroskeptikern gewogener ist als den Befürwortern einer europäischen Einheit.

Doch weit gefehlt, das Gegenteil ist der Fall.

Obwohl man vielerorts davon ausgeht, dass sich die Märkte mit den größten Verkaufspotential für schottische Single Malts und vor allem für Blends in China und Indien befinden, tummelt sich der Striding Man nach wie vor am häufigsten in seiner Heimat, in Europa. Und genau hier, in der EU, sehen sich die Whiskymacher Schottlands am besten aufgehoben. Für sie ist es wichtig in einem lebendigen und einflussreichen Markt agieren zu können. Die EU ist dabei weniger eine Fußfessel als eher ein wichtiger schützender Stützpunkt für die Erweiterung der Geschäftstätigkeit gen Osten.

Diageo, der britische Spirituosenriese, verkauft zwar ’nur‘ 30% seiner Produkte in Europa, doch das Gewicht der EU in Geschäftsverhandlungen ist ungemein wichtig. Der Geschäftsführer von Diageo, Paul Walsh, sieht sogar den Platz vieler der über 100 Erzeugnisse des Konzerns in den Regalen dieser Welt erst durch die Fähigkeit der EU ermöglicht, diese Verhandlungen mit dem notwendigen Nachdruck führen zu können.

Europa ist weltweit nach wie vor der wichtigste Wirtschaftmarkt für Whisky aus Schottland. Innerhalb der Grenzen der EU kann man Waren nahezu ohne weitere Hindernisse frei verkaufen. In Frankreich wird nach Angaben von International Wine and Spirits Research, einer Marktforschungsfirma, doppelt so viel schottischer Whisky abgesetzt wie in den USA. Und trotz der finanziellen Nöte ist Spanien immer noch umsatzstärker als China – oder vielleicht auch gerade deshalb.

Immer wieder werden neue Länder in die EU aufgenommen und schaffen so neue, freie Märkte. Das war schon damals in Spanien so, als Franco abgesetzt wurde und Whisky zu einem Symbol für Wohlstand und Unabhängigkeit wurde. In Griechenland wurde Johnnie Walker schnell zum bevorzugten Getränk der Mittelklasse, die Europa befürwortete. Zuletzt konnte man diese Effekte auch in Polen sehen, das 2004 in die EU aufgenommen wurde.

Um Indien führt jedoch kein Weg herum. In diesem Riesenland wird schon heute mehr Whisky getrunken als in allen anderen Ländern der Erde zusammen. Das Problem mit Indien ist nur, dass lediglich ein ganz kleiner Teil des Whiskys aus Europa bzw. Schottland stammt. Whisky, der in Indien genossen wird und oft schottisch anmutende Namen wie Bagpiper oder McDowell’s trägt, stammt fast ausschließlich aus Indien selber und wird leider in der Regel auf Basis von Melasse und nicht aus Gerstenmalz destilliert. ‚Richtiger‘ Whisky aus Schottland hat es hingegen schwer, sich in Indien durchzusetzen, da das Land einen Einfuhrzoll von 150% auf diese Spirituose erhebt. Auch in diesem Fall soll die EU den Brennereien in Schottland helfen, in einem Handelsabkommen mit Indien zu vereinbaren, diese Hürde zu mindern.

In Großbritannien wird heute oft von Protektionismus in Zusammenhang mit dem Thema EU geredet. Die schottischen Destillerien profitieren jedoch genau davon, weil der Begriff des Scotch Whisky so genau definiert ist. Das schützt den Markt vor gepanschter Ware und impliziert für die Genießer dieser schottischen Erzeugnisse einen Hauch von Exklusivität, die mit der begehrter Weine vergleichbar ist.

Teilweise fragt man sich, ob die strengen Regeln der EU bezüglich Handel und Harmonisierung von Waren in Europa wirklich vorteilhaft sind und keinen Wettbewerbsnachteil darstellen. Auch das sehen die schottischen Brenner größtenteils positiv. Hierdurch werden globale Standards gesetzt und man spart Kosten, da man keine Rücksicht auf nationale Vorgaben zu Flaschengrößen oder dem Informationsgehalt von Etiketten nehmen muss. Die Scotch Whisky Association (SWA) hält sogar Großbritannien für den größten Individualisten auf diesem Gebiet.

Die britische Mitgliedschaft in der EU hat also für die schottischen Destillerien mehr Vorteile als Nachteile. Was passiert, wenn man versucht mit traditionell gefertigten Produkten auf einem globalen Markt zurecht zu kommen, zeigt das Beispiel der Whiskyindustrie in Irland zum Anfang des letzten Jahrhunderts. Einst ein beliebtes Getränk kam irischer Whiskey zusammen mit der Prohibition in den USA gehörig unter die Ränder. Das war nicht zuletzt eine Folge der damals geforderten politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien am Rande von Europa sowie der Einführung von Blends und günstiger Produktionsmethoden für schottischen Whisky.

Heute sind es die schottischen Brennereien, die einer politisch ungewissen Zukunft entgegen gehen, bei der es um Zig Milliarden Euro geht. Die britische Regierung hat vor einiger Zeit eine Volksabstimmung angekündigt, die über den Verbleib Großbritanniens in der EU bis 2017 entscheiden soll. Europa werde zu mächtig und übernehme zu sehr die Kontrolle in dem unabhängigen Staat, ist die Begründung der Euroskeptiker auf der Insel. Darüber hinaus strebt im nächsten Jahr Schottland die Unabhängigkeit von Großbritannien an.

Für die Whiskyproduzenten ist der Fall klar: Schottland bleibt Teil von Großbritannien und Großbritannien bleibt Mitglied der EU. Johnnie Walker will schließlich nicht alleine seinen Weg durch die Welt fortsetzen.

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